Besuch bei Express
    Bericht aus der Zeitschrift vom 10. Juli 1958



Erzeugungsstätte hochwertiger Gebrauchs-Mopeds


Radexi 1 Eine gute halbe Stunde vor den Toren Nürnberg liegt Neumarkt in der Oberpfalz, ein gemütliches kleines Städtchen, - und wenn man es in Richtung München verläßt, kommt man am langgestreckten Bau der Expresswerke A.G., der ältesten, bereits 1882 gegründeten Fahrradfabrik des Kontinents, vorbei. Ohne aufwändigen Pomp das Einfahrtstor - sähe man nicht den Firmennamen darüber und auch gleich daneben den springenden Windhund, das traditionelle Markenzeichen für alle Express Erzeugnisse - man würde kaum auf den Gedanken kommen , daß der Gebäudekomplex, den sich der alte Stamm der Expressleute nach dem Krieg mühselig zum größten Teil erst wieder aus dem Schutt selbst aufgebaut hat, eine Zweiradfabrik ist. Aber irgendwie gehört dieser geruhsame, bodenständige Eindruck, den man gleich empfängt, wohl zum Charakter
Radexi 3 Luxus1 dieses Werkes wohl überall begegnet man guter alter Handwerkstradition - im Fahrradbau genauso wie in der Mopedfertigung - und selbst der hochmoderne Motorenbau, in dem man den eigenen Mopedmotor in Eingang-, Zweigang-, und Dreigangausführung baut , hat nichts von der Rationalisierungs-Unrast an sich, die man anderwärts schlecht verbergen kann. Noch heute nimmt die Fahrradfertigung der Expresswerke einen beträchtlichen Teil der Gesamtproduktion ein - eine lückenlose Typenreihe, vom Kinder- und Jugendrad über die verschiedensten Modelle bis zur höchstwertigen Rennmaschine und zu den Spezialmaschinen für Saal- und Radballsport. Diesem Programm und den heutigen Käuferwünschen entsprechend, die auf immer neue Farben und Farbkombinationen drängen wie auf die verschiedensten Sonderausführungen, beispielsweise
Radexi Super Rollermoped bezüglich der Schaltung, diesem allen entsprechend ist auch hier, wie anderwärts, die Fahrradfertigung weitgehend individualisiert, trotz moderner Fertigungsmethoden wird doch eben zwangsläufig gute, seriöse Handwerksarbeit geleistet.



Bilder links von oben nach unten:
Die alte Radexi 1, hier besonders zu erwähnen mit Vorderradgabel der Radexi 2
Radexi 3 in der Luxusausführung und
Radexi Super das Rollermoped


Geradezu ein Schmuckstück die galvanische Abteilung, die der Betriebsleiter mit berechtigtem Stolz und mit Freude über die Mitarbeiter, die gerade diese diffizile Abteilung so pfleglich behandeln, als ob sie ihr eigen wäre, zeigt. Wir glaubten´s ihm gern, daß er keine Chrom-Beanstandungen bei seinen Erzeugnissen kennt.
Aber wir waren ja nicht wegen der Fahrräder nach Neumarkt gefahren. Wir wollten ja gerne mal das motorisierte Programm am Entstehungsort sehen und dieses Programm umschließt in logischer Beschränkung auf die derzeitige Situation drei Mopeds und ein Motorrad-Modell. Von dem letzteren, der famosen Radex 102 mit dem 100er Sachsmotor und mit dem originellen Express-Brückenrahmen, werden wir nächstens einmal gesondert berichten, wenn wir uns die deutschen Hunderter gemeinsam vorknöpfen.

Mopedproduktionshalle

Heute betrachten wir uns mal einiges Interessante aus der Moped-Typenreihe.
Die Mopeds von Express heißen R a d e x i (Radex sind die Motorradtypen, von denen einige aus den letzten Baujahren noch allenthalben in guter Erinnerung sind, zumal sich ja auch Express im Geländesport Jahre hindurch rege beteiligte). Zur Zeit baut man - weitgehend im Trieb- und Fahrwerk einander gleichend - drei Modelle des Typs Radexi III: die Typen Standard und Luxus als normale Gebrauchsmopeds und den Typ Super als formschönes Roller-Moped in ausgesprochener italienischer Linie (sie stammt auch wirklich von einem italienischen Formgestalter).In einem Fahrradschuppen auf dem Werkshof fanden wir übrigens eine Radexi 1.

Radexi 3 Rahmen

Wir haben´s im Bild festgehalten, weil dieses vor soviel Jahren schon gebaute Moped nicht nur heute seinen täglichen Dienst versieht, sondern doch eigentlich ein Zeugnis dafür ist, wie sehr man damals schon bei Express die kommende Moped-Linie erfühlte. Auch damals baute man übrigens seinen Motor schon selbst, er ist bis heute praktisch unverändert geblieben. Allen drei Mopeds gemeinsam ist der unter Verwendung von Ovalrohr hergestellte Doppel-Schleifenrahmen (für das Rollermoped ist der Hinterbau geringfühgig abgeändert) - mit Ovalrohren baut man anscheinend bei Express überhaupt recht gern, auch der Motorradrahmen benutzt diese Rohrprofile. Durchaus verständlich, da man zweifellos mit ihrer Hilfe außerordentlich stabil und doch elegant in der Linienführung bauen kann.

Radexi 3 Gabel

Die Vordergabeln von Express - bei Moped und Motorrad wiederum grundsätzlich gleich - sind besonderer Erwähnung wert, und unser Bild zeigt die wesentlichsten Einzelteile: Da hängt das Vorderrad nicht einfach in den abgefederten Schwinggabeln, und die Vorderachse muß - zum Leidwesen der Nabenlager - die ganzen Verwindungskräfte aufnehmen, sondern ein geschlossener U-Bügel versteift das Ganze und nimmt mit seinen langen Rohrschenkeln die Führungsstäbe und die - doppelten - Druckfedern auf. Aufwendig und nicht billig gemacht - aber mit Überlegung von Leuten, die wußten worauf es ankommt

Bilder von oben nach unten:
Blick in die Mopedmontage: Der robuste Doppelschleifenrahmen aus Ovalrohren Vorderradgabel: die kurzen Schwinghebel führen nur, ein geschlossener Rohrbügel entlastet die Vorderachse gegen Verwindungskräfte


Bilder von links nach rechts: Die Rahmenendrohre hören nicht bei der oberen Federbeinlagerung auf, sondern führen noch weiter nach hinten, um das außergewöhnlich breite Schutzblech bombenfest zu halten. - Der Zweigang-Expressmotor im Luxus (deshalb die Motorverkleidung, die das Standardmodell
nicht hat). Man sieht schon am Gehäuse, daß die Kupplung auf der Kurbelwelle sitzt und man erkennt hinten am Getriebe den Tachoantrieb. - Der vertikal
geteilte Kettenkasten ist unabhängig vom Schwingholm abzunehmen. - Raffiniert ist dieser Kettenkasten gemacht: er umfaßt auch vorne gleich das Ritzel am Getriebe mit, schwingt mit der Hinterradschwinge und benötigt doch keinerlei Gummianschlüsse am Gehäuse oder dergleichen.


Radexi 3 Hinterrad Radexi 3 Luxus Motor Radexi Super Hinterrrad Radexi 3 Hinterrad

Das Dreiganggetriebe paßt in das Zweiganggehäuse, und zwar durch Anwendung eines Kunstkniffes, der die Beibehaltung der Mordsgetrieberäder aus dem Zweigang auch beim Dreigang ermöglichte: während nämlich die Zweigangausführung mittels eines Klauenstückes schaltet, das zwischen den beiden Rädern auf der abtreibenden Welle liegt, verwendet man beim Dreigang eine Ziehkeilschaltung und gewann so den ganzen Raum zwischen den beiden Rädern für das notwendige dritte. Und daß man zwar den Zweigang mit einer Einzugschaltung für unbedingt notwendig hält - wer Bescheid weiß, lächelt nur: an solchen Kleinigkeiten erkennt man, ob die Leute, die Mopeds bauen, was von ihrem Kram verstehen!

Wer sich schon mit spillrigen Tachoantrieben an der Vorderradnabe herumgeärgert hat (und welcher Mopedfahrer hätte das nicht?), der wird sich nur wundern können, warum der Tachoantrieb direkt vom Getriebe, wie ihn der Expressmotor hat, noch nicht Allgemeingut geworden ist. Es soll auch mal eine Zeit gegeben haben, in der man bei Automobilen den Tachoantrieb am Vorderrad abnahm - aber inzwischen soll sich das geändert haben. Bei Automobilen.

Aber wir wollen nicht soviel erzählen, sonst erscheint das so, als ob wir keinen Bericht über einen Werksbesuch, sondern eine Markenpropaganda bringen wollten. Lassen wir lieber wieder unsere Bilderseiten sprechen - da gibt es nicht dran zu deuteln, die Details sprechen für sich.

Wir fuhren jedenfalls recht befriedigt wieder heim. Es müßte doch mit dem Teufel zugehen, wenn die Werke der Mopedindustrie, die endgültig nach dem großen Reinemachen übrigbleiben werden, nicht ein rentables, stetiges Geschäft machen könnten - sofern sie sich eben in vernünftiger Typenbeschränkung auf die Markterfordernisse einstellen, ihre Mopeds von Männern konstruieren lassen, die selbst Mopeds fahren - und sie schließlich von Leuten bauen lassen, die um die entscheidende Bedeutung handwerklicher Qualitätsarbeit wissen. Wir hatten den Eindruck, daß bei Express mindestens verschiedene dieser Voraussetzungen zutreffen!

Verlag und Redaktion 10. Juli 1958