Testet für Sie das Moped Radexi II
Testbericht vom Oktober 1955





Express war die erste deutsche Firma, die ein Moped herausgebracht hat, das sich in seinem Fahrwerk erheblich vom Fahrrad unterschied - die früheren Schöpfungen von Kreidler und Delius wollen wir ausnehmen, weil jene wegen höheren Gewichts später nicht mehr als Mopeds anerkannt wurden und die von Delius nicht zu einer Bedeutung gelangten. Die im Frühjahr 1953 herausgekommene Radexi von Express benutzte als erste deutsche Konstruktion den Kraftstofftank als tragendes Element. Aber auch das Triebwerk stellte eine Neuheit dar: Der Motor war als erster deutscher eigens für ein organisch gebautes Moped entworfen. Der enthielt bereits den Tretantrieb und, einer weisen Vorahnung folgend, auch den Raum für den Einbau eines Zweiganggetriebes. (Tretantrieb im Motor gab es vorher nur bei Kreidler und bei den Motoren von Mota, für die dasselbe gilt wie für die Fahrzeuge von Delius). Im Herbst vorigen Jahres bekam der Radexi-Motor prompt seinen zweiten Gang. Ein halbes Jahr später widmete sich Express dann dem Fahrwerk und versah es mit kleineren Rädern und Allradfederung.

Zwei bemerkenswerte Konstruktionen

Das neue Modell bekam den Namen Radexi II. Es soll die Vorgängerin nicht ersetzen, sondern die Auswahl erweitern. Im Gegensatz zur Radexi I hat es keinen Tankrahmen, sondern ein Gerüst aus zwei nebeneinanderliegenden Ovalrohren, das eine äußert große Widerstandsfähigkeit gegen alle angreifenden Kräfte verbürgt. Auch die Gabeln haben nichts mit der alten Konstruktion gemein, nicht einmal mit anderen deutschen Konstruktionen. Die Vordergabel ist einzigartig durch die ziehende Schwinge, die Hintergabel durch die Rohrführung für die Radachse. An Motorrädern hat man diese im allgemeinen verlassen. Ich war daher sowohl bei Erscheinen der Radexi II als auch des Testfahrzeuges etwas voreingenommen. Die erste Fahrt jedoch zeigte schon, daß dazu kein Grund bestand. Alle Testfahrten unter jederlei Bedingungen erwiesen vielmehr, daß diese Hinterradfederung ganz vorzüglich ist. Sie sprach sehr leicht an, hatte einen angenehmen großen Radhub und zeigte nie ein seitliches Nachgeben des Rades, das bei nicht tadelloser Bodenhaftung unangenehm wird.

Tadellose Fahrzeugfederung

Wenn man sich die Ausführugn näher beschaut, gewinnt man auch Vertrauen zu ihr. Die ovalen Gabelrohre und die beiden Rohrführungen lassen sich nur mit größter Kraft etwas verwinden. Das ist keine Salonkonstruktion, sondern eine für harte Beanspruchung ausgelegte Ausführung.

Die Befestigung des Schutzblechs und des Gepäckträgers, die an Schwingen nicht so ganz einfach ist, gleicht der an Starrahmen. Die Teile gehören zum gefederten Fahrwerk, wie man das ja verlangt. Der Gepäckträger ist außerdem mit seiner ungewöhnlich großen Fläche, einem aus Blech gedrückten Rost, sehr erfreulich. Es ist motorradmäßig und doch noch vollkommener, da auch der vom Fahrrad her bekannte Federbügel nicht fehlt. Eine ziehende Schwinge vorn - das ist etwas Feines. Wir kennen sie von einigen Rollern und einigen Motorrädern der Marke Express. Gegenüber Schubschwingen haben sie den Vorzug, sehr leicht anzusprechen. Wenn Schubschwingen ebenso gut arbeiten sollen, müßte man den festen Teil der Gabel sehr tief herunterziehen. Denn die Voraussetzung für ein sehr leichtes Ansprechen ist eine schräg nach hinten oben gehende Einfederung der Radachse. An Zugschwingen ergibt sie sich von selbst, weil man das Schwingenlager möglichst hoch legen möchte, um Gewicht zu sparen. Und Gewicht sparen muß man bei allen Vorderschwingen wieder, weil sonst die durchaus unerwünschte Wucht in der Lenkung zu groß wird. Bei einen plötzlichen Lenkausschlag sol ja die Lenkung nicht noch weiter als beabsichtigt herumschieben, und die nach außen drückende Fliehkraft in der Kurve soll die vom Fahrer normal gespürten Kräfte am Lenker nicht erheblich verändern. Das ist bei größeren Massen in größerer Entfernung vor oder hinter der Radachse aber der Fall.

Ruhige Lenkung

Das Verhalten der Lenkung war tadellos, sowohl bei Langsamfahrt als auch über wegspringendes Geröll. Der Lenker blieb immer bemerkenswert ruhig - bei anderen Mopeds stört mich so oft seine Zappligkeit. Wenn die Lenkergriffe etwas weiter vorn lägen, wäre das Fahrzeug wahrscheinlich noch ruhiger.
Die Vorderfederung setzte mich insofern in Erstaunen, als während der Fahrt nur recht geringe Schwingenausschläge erkennbar waren (die Radschwingen selbst sieht man zwar nicht, wohl aber einigermaßen die Verankerungsschwinge der Bremse). Trotzdem war die Federwirkung immer als so gut zu bezeichnen, wenn auch nicht als ausgesprochen weich. Das richtige Ausweichen des Rades in der ungefähren Stoßrichtung ist also wohl wichtiger als ein größerer Radhub in anderer Richtung. Ob man eine gute Abfederung des Fahrzeuges mit größerem oder kleinerem Radhub erreicht, ist übrigens nicht einerlei. Je unruhiger die Räder, inbesondere das Vorderrad läuft, desto unruhiger wird an sich auch die Lenkung und desto indifferenter der Kurs. Da kommt durch die Veränderung der für die Fahreigenschaften entscheidenden Fahrwerksmaße (Nachlauf, Lenkachsneigung, Radstand) und durch Kreiselwirkung. Sprechen wir nun gleich von der dritten Federungsstelle, dem Sattel. Ich "besaß" den gleichen Typ wie am zuvor getesteten Fahrzeug und konnte also wieder mit Genugtuung feststellen, daß es auch vernünftige Sättel gibt. Bei dieser Hinterradfederung war die Sattelfederung und die Spannung der Satteldecke allerdings nicht so wichtig. Die sich gut anschmiegende breite und richtig geformte Sitzfläche wünschen wir uns jedoch immer und deren Nachgiebigkeit immer dann, wenn die Vibrationen das Sattelrohr emporkriechen wollen.

Keinerlei Vibration!

Bei der Radexi war auch dieser Wunsch nicht nötig. Man sollte es kaum glauben, aber Vibrationen waren weder am Lenker, noch an den Pedalen, noch am Sattel spürbar. Ganz ohne Vibrationen kann zwar ein Einzylinder-Motor und ein Kettentrieb nicht laufen. Hier waren sie aber derart bescheiden, daß man mit Fug und Recht von einem praktisch vibrationslosen Lauf sprechen kann. Es ist eine Wohltat, stundenlang so zu fahren und bei keiner Drehzahl in den Händen oder am Südpol taub zu werden. Leider wird man es aber in den Ohren, sobald man einen Tunnel durchfährt. Der Übeltäter ist der ungedämpfte Vergasereintritt, der für das Ohr des normal sitzenden Fahrers zufällig tadellos mit dem Auspuffaustritt phasengleich zu sein scheint. Die Zugkraft (Drehmoment) des Motors zeigte sich nicht gerade als überdurchschnittlich. Zwar ist der Motor recht stark und das Fahrzeug auf freier Strecke sehr flott. man kann mit einer recht ordentlichen Gechwindigkeit dahinziehen, was auch der guten Federung zu danken ist. Hat man etwas Rückenwind, dann singt der Motor gleich in einer merklich höheren Tonlage - hat man anderseits Gegenwind oder kommt man an eine Steigung, dann müht er sich oft. Ebenso beim Anfahren. Man muß im Stadtverkehr recht oft in den ersten Gang gehen und nach dem Halten recht weich einkuppeln. Wenn man die Übersetzung der Kette reicher wählte, wäre man vielleicht etwas beweglicher. Vorteilhafter wäre wahrscheinlich, außerdem das Übersetzungsverhältnis des zweiten Ganges etwas reicher zu machen, da dann der Anschluß vom ersten Gang besser wäre.

Jetzt hat man eine gute Beschleunigung erst jenseits 30 km/h. eine Änderung der Kettenübersetzung würde leider aber auch die Tretübersetzung verändern, die jetzt recht ordentlich ist. Lassen wir zum Schluß das sehr ordentliche Werkzeug nicht unerwähnt. Man öffnet den flachen Behälter durch Herausdrehen der Deckelschraube mit einer Münze und findet dann (wie sonst wohl nur bei Victoria und Heinkel) robuste Schlüssel, keinen gestanzten Tinneff. So hat der Fahrer nicht nur bei rollenden Rädern an diesem dann auffallend gut wiegenden und "liegenden" Fahrzeug seine Freude.

Dr. Günter Winkler VDI/ATG


(Linkes Bild) Die Hinterradachse ist in Ausfallenden eingespannt, so daß die Kette beim Radausbau nicht geöffnet zu werden braucht. Beim Nachspannen der Kette werden die (sehr großen) Achsmuttern der sehr starken Achse nicht gelöst.


Das Test-Fahrzeug

Motor:
Zweitaktmotor mit 36 mm Hub, 42 mm Bohrung. Pallas-Vergaser 10 mm mit selbständig zurückgehendem Kaltstartschieber. Mehrscheibenkupplung in Öl auf der Kurbelwelle. Zwei Gänge, Gesamtübersetzung 19,33 und 12,9. Eingebauter Tretantrieb.

Fahrgestell:
Brückenrahmen aus zwei nebeneinanderliegenden Ovalrohren,. kurze Zugschwinge vorn, Rohrführung hinten. Trommelbremsen 100 Durchmesser x 15. Tankinhalt 5,5 Liter. Mittelständer. Räder 23 x 2".

Preis: DM 595,-- ab Werk