Express war die erste deutsche Firma, die ein Moped herausgebracht hat, das sich in seinem Fahrwerk erheblich vom
Fahrrad unterschied - die früheren Schöpfungen von Kreidler und Delius wollen wir ausnehmen, weil jene wegen höheren
Gewichts später nicht mehr als Mopeds anerkannt wurden und die von Delius nicht zu einer Bedeutung gelangten. Die im
Frühjahr 1953 herausgekommene Radexi von Express benutzte als erste deutsche Konstruktion den Kraftstofftank als
tragendes Element. Aber auch das Triebwerk stellte eine Neuheit dar: Der Motor war als erster deutscher eigens für ein
organisch gebautes Moped entworfen. Der enthielt bereits den Tretantrieb und, einer weisen Vorahnung folgend, auch den
Raum für den Einbau eines Zweiganggetriebes. (Tretantrieb im Motor gab es vorher nur bei Kreidler und bei den Motoren
von Mota, für die dasselbe gilt wie für die Fahrzeuge von Delius). Im Herbst vorigen Jahres bekam der Radexi-Motor prompt
seinen zweiten Gang. Ein halbes Jahr später widmete sich Express dann dem Fahrwerk und versah es mit kleineren Rädern
und Allradfederung.
Zwei bemerkenswerte Konstruktionen
Das neue Modell bekam den Namen Radexi II. Es soll die Vorgängerin nicht ersetzen, sondern die Auswahl erweitern. Im
Gegensatz zur Radexi I hat es keinen Tankrahmen, sondern ein Gerüst aus zwei nebeneinanderliegenden Ovalrohren, das eine
äußert große Widerstandsfähigkeit gegen alle angreifenden Kräfte verbürgt. Auch die Gabeln haben nichts mit der alten
Konstruktion gemein, nicht einmal mit anderen deutschen Konstruktionen. Die Vordergabel ist einzigartig durch die
ziehende Schwinge, die Hintergabel durch die Rohrführung für die Radachse. An Motorrädern hat man diese im allgemeinen
verlassen. Ich war daher sowohl bei Erscheinen der Radexi II als auch des Testfahrzeuges etwas voreingenommen. Die erste
Fahrt jedoch zeigte schon, daß dazu kein Grund bestand. Alle Testfahrten unter jederlei Bedingungen erwiesen vielmehr,
daß diese Hinterradfederung ganz vorzüglich ist. Sie sprach sehr leicht an, hatte einen angenehmen großen Radhub und
zeigte nie ein seitliches Nachgeben des Rades, das bei nicht tadelloser Bodenhaftung unangenehm wird.
Tadellose Fahrzeugfederung
Wenn man sich die Ausführugn näher beschaut, gewinnt man auch Vertrauen zu ihr. Die ovalen Gabelrohre und die beiden
Rohrführungen lassen sich nur mit größter Kraft etwas verwinden. Das ist keine Salonkonstruktion, sondern eine für harte
Beanspruchung ausgelegte Ausführung.
Die Befestigung des Schutzblechs und des Gepäckträgers, die an Schwingen nicht so ganz einfach ist, gleicht der an
Starrahmen. Die Teile gehören zum gefederten Fahrwerk, wie man das ja verlangt. Der Gepäckträger ist außerdem mit
seiner ungewöhnlich großen Fläche, einem aus Blech gedrückten Rost, sehr erfreulich. Es ist motorradmäßig und doch noch
vollkommener, da auch der vom Fahrrad her bekannte Federbügel nicht fehlt.
Eine ziehende Schwinge vorn - das ist etwas Feines. Wir kennen sie von einigen Rollern und einigen Motorrädern der Marke
Express. Gegenüber Schubschwingen haben sie den Vorzug, sehr leicht anzusprechen. Wenn Schubschwingen ebenso gut arbeiten
sollen, müßte man den festen Teil der Gabel sehr tief herunterziehen. Denn die Voraussetzung für ein sehr leichtes
Ansprechen ist eine schräg nach hinten oben gehende Einfederung der Radachse. An Zugschwingen ergibt sie sich von selbst,
weil man das Schwingenlager möglichst hoch legen möchte, um Gewicht zu sparen. Und Gewicht sparen muß man bei allen
Vorderschwingen wieder, weil sonst die durchaus unerwünschte Wucht in der Lenkung zu groß wird. Bei einen plötzlichen
Lenkausschlag sol ja die Lenkung nicht noch weiter als beabsichtigt herumschieben, und die nach außen drückende
Fliehkraft in der Kurve soll die vom Fahrer normal gespürten Kräfte am Lenker nicht erheblich verändern. Das ist bei
größeren Massen in größerer Entfernung vor oder hinter der Radachse aber der Fall.
Ruhige Lenkung
Das Verhalten der Lenkung war tadellos, sowohl bei Langsamfahrt als auch über wegspringendes Geröll. Der Lenker blieb
immer bemerkenswert ruhig - bei anderen Mopeds stört mich so oft seine Zappligkeit. Wenn die Lenkergriffe etwas weiter
vorn lägen, wäre das Fahrzeug wahrscheinlich noch ruhiger.
Die Vorderfederung setzte mich insofern in Erstaunen, als während der Fahrt nur recht geringe Schwingenausschläge
erkennbar waren (die Radschwingen selbst sieht man zwar nicht, wohl aber einigermaßen die Verankerungsschwinge der Bremse).
Trotzdem war die Federwirkung immer als so gut zu bezeichnen, wenn auch nicht als ausgesprochen weich. Das richtige
Ausweichen des Rades in der ungefähren Stoßrichtung ist also wohl wichtiger als ein größerer Radhub in anderer Richtung.
Ob man eine gute Abfederung des Fahrzeuges mit größerem oder kleinerem Radhub erreicht, ist übrigens nicht einerlei. Je
unruhiger die Räder, inbesondere das Vorderrad läuft, desto unruhiger wird an sich auch die Lenkung und desto indifferenter
der Kurs. Da kommt durch die Veränderung der für die Fahreigenschaften entscheidenden Fahrwerksmaße (Nachlauf,
Lenkachsneigung, Radstand) und durch Kreiselwirkung.
Sprechen wir nun gleich von der dritten Federungsstelle, dem Sattel. Ich "besaß" den gleichen Typ wie am zuvor getesteten
Fahrzeug und konnte also wieder mit Genugtuung feststellen, daß es auch vernünftige Sättel gibt. Bei dieser Hinterradfederung
war die Sattelfederung und die Spannung der Satteldecke allerdings nicht so wichtig. Die sich gut anschmiegende breite
und richtig geformte Sitzfläche wünschen wir uns jedoch immer und deren Nachgiebigkeit immer dann, wenn die Vibrationen
das Sattelrohr emporkriechen wollen.
Keinerlei Vibration!
Bei der Radexi war auch dieser Wunsch nicht nötig. Man sollte es kaum glauben, aber Vibrationen waren weder am Lenker,
noch an den Pedalen, noch am Sattel spürbar. Ganz ohne Vibrationen kann zwar ein Einzylinder-Motor und ein Kettentrieb nicht
laufen. Hier waren sie aber derart bescheiden, daß man mit Fug und Recht von einem praktisch vibrationslosen Lauf sprechen
kann. Es ist eine Wohltat, stundenlang so zu fahren und bei keiner Drehzahl in den Händen oder am Südpol taub zu werden.
Leider wird man es aber in den Ohren, sobald man einen Tunnel durchfährt. Der Übeltäter ist der ungedämpfte Vergasereintritt,
der für das Ohr des normal sitzenden Fahrers zufällig tadellos mit dem Auspuffaustritt phasengleich zu sein scheint.
Die Zugkraft (Drehmoment) des Motors zeigte sich nicht gerade als überdurchschnittlich. Zwar ist der Motor recht stark
und das Fahrzeug auf freier Strecke sehr flott. man kann mit einer recht ordentlichen Gechwindigkeit dahinziehen, was
auch der guten Federung zu danken ist. Hat man etwas Rückenwind, dann singt der Motor gleich in einer merklich höheren
Tonlage - hat man anderseits Gegenwind oder kommt man an eine Steigung, dann müht er sich oft. Ebenso beim Anfahren. Man
muß im Stadtverkehr recht oft in den ersten Gang gehen und nach dem Halten recht weich einkuppeln. Wenn man die
Übersetzung der Kette reicher wählte, wäre man vielleicht etwas beweglicher. Vorteilhafter wäre wahrscheinlich, außerdem
das Übersetzungsverhältnis des zweiten Ganges etwas reicher zu machen, da dann der Anschluß vom ersten Gang besser wäre.
Jetzt hat man eine gute Beschleunigung erst jenseits 30 km/h. eine Änderung der Kettenübersetzung würde leider aber auch die
Tretübersetzung verändern, die jetzt recht ordentlich ist.
Lassen wir zum Schluß das sehr ordentliche Werkzeug nicht unerwähnt. Man öffnet den flachen Behälter durch Herausdrehen
der Deckelschraube mit einer Münze und findet dann (wie sonst wohl nur bei Victoria und Heinkel) robuste Schlüssel,
keinen gestanzten Tinneff. So hat der Fahrer nicht nur bei rollenden Rädern an diesem dann auffallend gut wiegenden
und "liegenden" Fahrzeug seine Freude.
Dr. Günter Winkler VDI/ATG
(Linkes Bild) Die Hinterradachse ist in Ausfallenden eingespannt, so daß die Kette beim Radausbau nicht geöffnet
zu werden braucht. Beim Nachspannen der Kette werden die (sehr großen) Achsmuttern der sehr starken Achse nicht gelöst.
Das Test-Fahrzeug
Motor:
Zweitaktmotor mit 36 mm Hub, 42 mm Bohrung. Pallas-Vergaser 10 mm mit selbständig zurückgehendem Kaltstartschieber.
Mehrscheibenkupplung in Öl auf der Kurbelwelle. Zwei Gänge, Gesamtübersetzung 19,33 und 12,9. Eingebauter Tretantrieb.
Fahrgestell:
Brückenrahmen aus zwei nebeneinanderliegenden Ovalrohren,. kurze Zugschwinge vorn, Rohrführung hinten. Trommelbremsen
100 Durchmesser x 15. Tankinhalt 5,5 Liter. Mittelständer. Räder 23 x 2".
Preis: DM 595,-- ab Werk